Der Kampf in der Ukraine: 

Es geht um unsere westlichen Werte
Von Peter Helmes

Selenskyi in Washington – ein epochales Ereignis
Es ist rd. zehn Monate her, daß Russland seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine begann. Wir haben gelernt, daß die Bosheit und der Zynismus des russischen Angriffskriegs von uns Einigkeit verlangen. Das haben wir geschafft. Wir schicken Hilfe in die Ukraine und bestätigen gegenüber uns selbst und den Ukrainern, daß ihr Kampf um Freiheit auch unser Kampf ist.

Wir haben uns daran gewöhnen müssen, daß in Europa Krieg herrscht und daß er einen Preis hat – auch für uns. Aber der Krieg in der Ukraine hat auch unser Bewußtsein geschärft. Es geht letztlich um unsere Werte – und darum, den Zusammenhalt unter freiheitsliebenden Nationen zu stärken. Das haben wir jedenfalls erreicht. Und dies ist auch beim Besuch des ukrainischen Präsidenten in Washington bestärkt worden, wie man auch in seiner Rede vor dem Parlament hören konnte.

Die Verflechtung der Welt bedeutet auch, daß Ereignisse in Übersee die persönliche Trübsal der Menschen verstärken oder aufhellen können. In den letzten Jahren gab es viele besorgniserregende Ereignisse in der Welt, von der Pandemie bis hin zu Katastrophen, Krieg und Terroranschlägen.

Was im nächsten Jahr geschieht, wird stark von den Ereignissen in Übersee abhängen, insbesondere davon, wie lange der Krieg in der Ukraine noch andauert. Der Krieg hat die Kosten für Treibstoff und Lebensmittel in die Höhe getrieben, nachdem die Pandemie zu Versorgungsengpässen geführt hatte, und der Konflikt wird die Inflation weiter anheizen. Viele Unbekannte liegen vor uns. Weihnachten ist eine Zeit, in der man aus der Gemeinschaft Kraft schöpft und ihr etwas zurückgibt – ein Geist, der auch im nächsten Jahr gefragt sein wird.

Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Krieg um die Demokratie
Das sind große Worte, aber sie haben ihre Berechtigung. Auch wenn die Ukraine keine vollständige liberale Demokratie ist, war sie vor der Invasion weit auf diesem Weg vorangekommen. Das hat dem russischen Präsidenten Putin nie gefallen. Die Invasion muß  auch als Versuch Putins betrachtet werden, die Ukraine daran zu hindern, selbst über ihr Schicksal zu bestimmen.

In Washington erklärte der ukrainische Staatschef Selenskyj, russische Angriffe auf weitere Länder seien nur eine Frage der Zeit. Aber in mancher Hinsicht haben sie bereits begonnen. Die Energiekrise in Europa ist eine Folge von Russlands Gaskrieg. Internet-Trolle sorgen jeden Tag in sozialen Medien für Spaltung und Mißtrauen und verbreiten Propaganda. Deshalb müssen wir zusammenhalten und die Solidarität schützen, die Putin zerstören will.

Putin-Versteher belehrt
Immerhin hat dieses Jahr dazu geführt, daß sich innerhalb der Linken einige Kräfte stärker mit Putin und den Putin-Verstehern in den eigenen Reihen auseinandergesetzt haben. Niemand kann mehr behaupten, in Deutschland oder auch anderswo auf der Welt herrsche seither business as usual – siehe auch die schwedische NATO-Debatte. Pazifismus mag sich schön anfühlen, wenn die Welt als friedlich erlebt wird und der Westen völkerrechtswidrige Angriffe durchführt. Aber er ist keine realistische Haltung.

2022 ist zum Jahr geworden, in dem ein Großteil der Linken endlich die von Russland ausgehende Bedrohung verstanden hat, aber innerhalb der radikalen Rechten hat sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt – was aber nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte.

Selenskyis epochale Rede
Selenskyjs Rede vor dem US-Kongreß wird in die Geschichte eingehen. Seine Appelle richteten sich nicht nur an den Kongreß und die Bürger in den USA, sondern an die ganze Welt. Von großer Bedeutung ist auch, daß seine Rede kurz vor Weihnachten stattfand und er an die US-Soldaten erinnerte, die Weihnachten 1944 gegen die Nazis kämpften. Selenskyj bekräftigte, daß die Ukraine nicht nur für sich, sondern für die Demokratie weltweit kämpfe.

Der Krieg in der Ukraine wird immer mehr zu einem globalen Kampf für die Demokratie mit Selenskyj im Zentrum. Mit seiner Reise in die USA hat der ukrainische Präsident erneut unter Beweis gestellt, daß er eine Persönlichkeit von historischer Größe ist, während Russland ausblutet.

Das Bild war die Botschaft. Und es war eins von Verbündeten, die angesichts der Herausforderung eines von Putin der Ukraine auferzwungenen Krieges zusammengeschweißt sind. Sie stehen Schulter an Schulter, während der Kremlchef zerstört und tötet, um vergeblich zu versuchen, das ukrainische Volk in die Knie zu zwingen.

Selenskyjs Besuch in Washington war voller Symbole. Allein schon, daß ihn seine erste Auslandsreise seit Kriegsbeginn in die USA führte und nicht etwa nach Brüssel. Zugleich war der Zeitpunkt des Besuchs in den letzten Tagen, in denen der Kongreß von den Demokraten geführt wird, aber auch sehr pragmatisch gewählt.

Erst die kommenden Monate werden zeigen, wie wirksam Selenskyjs Appell war. Bei der hauchdünnen Mehrheit, die die Republikaner im Abgeordnetenhaus haben, hat auch die relativ kleine Gruppe von Gegnern weiterer Ukraine-Hilfen ein großes Erpressungspotenzial.

Selenskyj betonte in den USA, daß die Unterstützung der Ukraine eine Investition in die Weltdemokratie und keine Wohltätigkeitsveranstaltung sei. Wie lange die Faszination für das ukrainische Heldentum im Ausland anhalten wird, ist allerdings fraglich. Aber die Tatsache, daß die Ukraine nach so vielen Kriegsmonaten immer noch die Herzen der Amerikaner erobert – trotz der hohen Preise und des schwächeren Wirtschaftswachstums in den Vereinigten Staaten – ist für Putin schon eine empfindliche Niederlage.

Die zentrale Botschaft in Washington lautete: Die Ukraine wird sich Russland nicht ergeben und der Kreml wird seine Kriegsziele nicht erreichen.

Ein Frieden mit Russland zeichnet sich nicht ab. Im Gegenteil. Offenbar soll der Krieg in die Länge gezogen werden, um Russland nach militärischen Niederlagen an den Verhandlungstisch zu zwingen. Der wichtigste Hinweis dafür ist die Lieferung von Patriot-Luftabwehrraketen aus den USA. Zweifellos wird dieser Krieg immer mehr zwischen Russland und den USA geführt.

Selenskyjs Besuch weckt sofort Assoziationen zu den Bildern des britischen Premiers Churchill, der mitten im Zweiten Weltkrieg und wenige Tage nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor nach Washington reiste, um sich die Hilfe der USA zu sichern. Selenskyj hat genau gewußt, daß es an der Zeit war, das Schlachtfeld zu verlassen und nach Washington zu reisen.

Der USA-Besuch war schon der zweite ‚Churchill-Moment‘ des ukrainischen Präsidenten. Der erste war der, als ihm die USA bei Ausbruch des Krieges Hilfe für eine Flucht aus Kiew anboten. Er lehnte jedoch ab und forderte stattdessen Munition. Und diesmal jubelte der Kongreß über seine Erklärung, sich niemals zu ergeben.

Abgesehen von den mitreißenden Beifallsbekundungen für den mutigen ukrainischen Präsidenten scheint der Kriegsgipfel in Washington mit einer Kluft zwischen den beiden Verbündeten über ihre Strategien zur Beendigung des Krieges geendet zu haben. Selenskyj benutzte das Wort ‚Sieg‘ elfmal in seiner Rede, US- Präsident Biden bezeichnenderweise kein einziges Mal. Die Vermeidung eines direkten Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und Russland bei gleichzeitiger Unterstützung der Ukraine ist eines der zentralen Ziele des Präsidenten. Irgendwann im nächsten Jahr muß es mehr Klarheit und Übereinstimmung darüber geben, wie ein ukrainischer Erfolg aussehen könnte, der nicht mit einem ‚absoluten Sieg‘ über Russland gleichzusetzen ist.


Die Einladung Selenskyjs nach Washington darf jedoch als Versicherung und warnende Grüße nach Moskau gewertet werden, daß die USA ihre Solidarität so lange aufrechterhalten werden, wie die Ukraine sie benötigt. Das Kalkül des Westens, daß Putin seine Drohung mit Atomwaffen nicht wahr machen wird, hat sich ebenfalls bewahrheitet. Europa sollte sich in diesem Fall ein Beispiel an den USA nehmen und nicht nachlassen bei der Unterstützung der Nachbarn.

Längst ist der Angriffskrieg Russlands zur systemischen Auseinandersetzung zwischen Autoritarismus und Demokratie geworden. Der Besuch Selenskyjs in den USA ist Symbol dieser Auseinandersetzung. Die Schwäche Putins ist nicht nur eine gute Nachricht. Sie macht diesen Krieg erst recht unberechenbar. Niemand weiß, zu welchen Mitteln der Kremlherrscher als nächstes greift. Aktuell nutzt er Belarus als Aufmarschgebiet – eine weitere Bedrohung für die Ukraine.

Nach zehn Monaten Krieg ist der Griff um den Hals der Ukraine nicht fester, sondern schwächer geworden. Und ganz nebenbei stiehlt Selenskyj mit der Aktion Putin auch noch die Show bei dessen zeitgleicher Sitzung mit der russischen Militärführung. Auch für Europa und Deutschland enthält der Flug über den Atlantik übrigens eine deutliche Nachricht: In Washington und nicht in Brüssel oder Berlin sitzen die wichtigsten Unterstützer der Ukraine.

Für Biden wäre es theoretisch möglich, Einfluß auf Selenskyj zu nehmen und ihn zu ernsthaften Verhandlungen zu drängen. Doch der US-Präsident hofft noch, daß Russland militärisch in die Knie gezwungen werden kann. Selbst wenn er seine Meinung ändern sollte, bliebe ein Problem ungelöst: Es gibt zurzeit niemanden auf der Welt, der auch Putin zur Vernunft bringen kann.

Selenskyjs Botschaft an Russlands Präsident Wladimir Putin ist mehr als deutlich: Du hast keine Macht über mich, meine Bewegungsfreiheit und auch nicht über mein Land.

In Klartext: Der Besuch ist eine Botschaft an Russlands Diktator Wladimir Putin, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt: Der Westen und die Führungsmacht USA werden mit ihrer Unterstützung für die Ukraine mit Geld und Waffen nicht nachlassen. Sie werden durchhalten, bis Putin und seiner Armee die Puste ausgeht.

Deshalb sind die weiteren Waffenlieferungen der USA an die Ukraine begrüßenswert.
Da es sich beim ‚Patriot‘-System um ein ausgesprochenes Verteidigungssystem handelt, gibt es keinen Grund, es der Ukraine vorzuenthalten. Deshalb ist es vernünftig, daß Biden es seinem Gast vor dem Mehrheitswechsel im Kongreß zugesagt hat. Und Selenskyj ist der richtige Empfänger. Er verkörpert den Mut seines Volkes, das nicht nur die eigene Freiheit verteidigt.

Zur Wahrheit gehört, daß das Patriot-Luftabwehrsystem schon vor Monaten hätte angeboten werden sollen, und daß es Wochen dauern wird, bis es einsatzbereit ist. Biden wird auch nicht auf die Bitten der Ukraine um neue Superdrohnen oder die neueste Raketentechnologie eingehen, weil er befürchtet, daß diese in feindliche Hände fallen könnten.

Nichtsdestotrotz: Noch vor zehn Monaten hatten die USA angeboten, Selenskyj vor einer wahrscheinlichen Niederlage in Sicherheit zu bringen. Jetzt hingegen planen sie, wie die Ukraine jedwede neue russische Offensive abwehren und sogar gewinnen kann.

Ein neues Paket von 44,9 Milliarden Dollar an wirtschaftlicher und militärischer Hilfe, das in das vom Kongreß zu verabschiedende Haushaltsgesetz aufgenommen wurde, wird die gesamte US-Unterstützung seit Beginn des Krieges auf 110 Milliarden Dollar bringen. So massiv diese Unterstützung auch ist, sie deckt weder alles ab, was Selenskyj will, noch alles, was er und sein Volk brauchen. Die Symbolik, fortschrittliche Patriots bereitzustellen – trotz russischer Warnungen, daß dies eine Provokation wäre und des früheren Zögerns der US-Regierung – sollte nicht unterschätzt werden. Doch auch die praktische Wirkung einer einzigen Batterie sollte nicht überschätzt werden.

Die weitere Milliardenhilfe verdeutlicht, daß es nach zwei Weltkriegen und den Jugoslawienkriegen einmal mehr die Amerikaner sind, die in Europa die Kohlen aus dem Feuer holen. Daß sie Putins Barbarei nicht einfach zuschauen, ist keineswegs selbstverständlich – säße heute noch immer der Kreml-Bewunderer Trump im Weißen Haus, wäre Amerika kaum eine verläßliche Stütze der Ukrainer.

So hat der Besuch Selenskyjs in Washington auch eine symbolische Bedeutung: Moskau soll die Botschaft verstehen, daß die US-Amerikaner ihre Waffenlieferung an Kiew in erheblichem Umfang erweitern und die Landesverteidigung der Ukrainer immer enger an die Nato heranrücken. Mit dem modernsten Patriot-Luftabwehrsystem, das die USA je einem Drittstaat zur Verfügung stellen, wird die Ukraine ihre Infrastruktur wesentlich besser vor russischen Angriffen schützen können. Bloß den Krieg beenden werden auch diese Waffen nicht. Dazu fehlt auf beiden Seiten der politische Wille.

Anders ausgedrückt heißt Selenskyjs Rede: Ohne Unterstützung aus den USA wäre die Ukraine längst gefallen. Spätestens ab jetzt liegt der Ball bei der Regierung in Washington. Wie die künftigen Beziehungen der USA zur Weltgemeinschaft aussehen, wird dadurch entschieden, wie weit die Vereinigten Staaten die Ukraine unterstützen.

Fakt ist jedenfalls, daß Putin mit seinem Angriffskrieg nicht Russland, sondern die USA und die NATO stärker gemacht hat. Die Formel ist einfach: Westliches Geld + ukrainisches Blut = Putins Niederlage. Wann der Krieg zu Ende geht, weiß niemand. Die Auswirkungen wird man noch jahrelang spüren. Wie es mit Putin weitergeht, weiß auch niemand. Daß alles dafür getan wird, daß er vor ein Kriegsverbrechergericht kommt, das steht schon fest. Wie lange soll diese Tyrannei weitergehen?

Bidens Botschaft an Selenskyj war klar: Die USA werden sich zwar nicht aktiv an einem Krieg gegen Russland beteiligen, aber sie werden auch nicht von ihrem Versprechen abrücken, das ukrainische Volk zu unterstützen.

Selenskyj befürchtet eine neue russische Großoffensive im kommenden Jahr, auch wenn Putin inzwischen selbst zugibt, daß die Lage für Russland schwierig ist. Es ist offensichtlich, daß  man im Kreml über die Entwicklung des Kriegs besorgt ist. Putin versucht, von seiner Unfähigkeit abzulenken, einen Sieg herbeizuführen, und er verspricht eine weitere Aufrüstung. Russland setzt auf sein Militär, die Ukraine leistet weiter Widerstand, und der Westen unterstützt Kiew – das alles läßt einen harten Winter und einen lang andauernden Krieg befürchten.

Die kommenden Monate – der Winter und das Frühjahr – werden ausschlaggebend für die weitere Entwicklung des Krieges sein. Ob man schon nächstes Jahr von einem gewissen Sieg sprechen kann oder ob sich der Krieg auf unbestimmte Zeit hinziehen wird, hängt letztendlich davon ab, ob die ukrainischen Streitkräfte über genügend Waffen verfügen werden.

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Für mich als Katholiken bleibt die AfD trotz ihrer Putinophilie alternativlos!
Von Michael van Laack *)

Um nicht missverstanden zu werden: Ich halte die Position der führenden Köpfe der AfD mit Blick auf Putin für vollkommen falsch und auch für kontraproduktiv, sollte die Partei tatsächlich den Wunsch verspüren, irgendwann einmal koalitionsfähig zu werden. Auch lehne ich mancher Mandatsträger Äußerung zur Coronaproblematik (vor allem in der heißen Phase zwischen Mai 2020 und März 2021) ab und hielt es von Beginn an für einen strategischen Fehler, sich u. a. der sogenannten Querdenker zu bedienen, um eine Querfront zu bilden.

Gleiches gilt übrigens auch in diesen Tagen wieder, wo der ein oder andere Sahra Wagenknecht zum virtuellen Ehrenmitglied der AfD stilisiert, sich gar an Ikonenmalerei versucht, wenn es um Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland geht. Hier wird m. A. das “Feinde meiner Feinde”-Prinzip zum Selbstzweck erhoben, was der Partei vom Ende her gedacht (ja ich weiß: nach Meuthen ist in der Partei vom Ende her denken verpönt) eher Schaden als Nutzen bringen wird.

Dennoch: Sich nicht an Wahlen zu beteiligen, würde für mich als Demokrat eine Unmöglichkeit darstellen. Auch die Wahl der Tierschutzpartei oder des Zentrums als Ausdruck des Protests gegen die buntfaschistische Allparteienkoalition macht keinerlei Sinn. Also bleibt mir – auch wenn es immer wieder Tage und Wochen gibt, in denen ich das bedaure – keine Alternative zu Alternative für Deutschland.

Woher ich komme und warum ich nun dort stehe, wo ich stehe

Zunächst einmal muss man wissen, dass ich immer schon das war, was man einen Konservativen nennt. Politisch im rechten Flügel der CDU verortet, weshalb ich mich in der CSU auch sehr wohl gefühlt habe in den sieben Jahren, in denen ich in Bayern lebte – religiös seit 1988 römisch-katholischer Traditionalist. Dies allerdings in den ersten zehn Jahren weniger konsequent, als ich es hätte sein sollen.

Ein erstes „Unwohlsein“ hinsichtlich meiner bisherigen politischen Verortung überkam mich beim kalten Putsch gegen Helmut Kohl, den Angela Merkel zwar nicht als Frontfrau anführte, aber den sie – wie wir mittlerweile wissen – gesteuert hat und von dem sie (den Machtzugewinn betrachtend) mehr als jeder andere profitierte.

Dieses Unwohlsein verflog allerdings rasch wieder, denn Macht war keine Option, solange Gerhard Schröder Kanzler war; und selbst, als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde, hatte ich sogar ein gutes Gefühl. Denn schlimmer als die Agenda 2010 – so glaubte ich – konnte es nicht mehr kommen.

Angela Merkel, die ungewollte Mutter der AfD
Sehr rasch aber wurde klar, dass Angela Merkel nicht war, was sie allen glauben machen wollte (und was ihr erstaunlicher- und erschreckenderweise bis heute immer noch gelingt) zu sein. So wie Gorbatschow kein orthodoxer Kommunist war und dennoch die Karriereleiter in der KPdSU geräuschlos erklomm, so lag Angela Merkel nie der konservative Markenkern der Adenauer-Partei am Herzen. Klug zweifellos ist sie, sonst wäre es ihr nie gelungen, die konservativen Granden peu à peu kaltzustellen: Laurenz Meyer, Friedrich Merz, Edmund Stoiber, Günter Oettinger, Roland Koch, Erika Steinbach, Christian Wulff – um nur einige zu nennen. Klug aber sind viele, das ist kein Alleinstellungsmerkmal konservativer Eliten. Dies missfiel mir sehr, ebenso wie ihre einsamen Entscheidungen zur Europa-Politik und zur Energiewende. Doch ich sah keine Alternative. Die CDU blieb das kleinere Übel.

Mit dem Euro fing es an
Dann tauchte – quasi aus dem Nichts und mit heißer Nadel gestrickt – eine Partei auf, die sich zunächst intensiv mit dem Euro beschäftigte: mit der verfehlten Geldpolitik, mit dem gnadenlosen Umgang Deutschlands mit dem Rest der „Wertegemeinschaft“ EU. Eine Partei, die die unfassbare Forderung stellte, der Euro müsse abgeschafft werden.

Diese Forderung sprachen mich sehr an, und dennoch schien mir alles, was die AfD dazu publizierte, zu unausgegoren, was wohl auch der Notwendigkeit geschuldet war, unter Zeitdruck (denn die Bundestagswahl 2013 stand vor der Tür), andere Modelle zu rechnen und ein tragfähiges Konzept vorzustellen. Dennoch habe ich schon im Gründungsjahr mit der Zweitstimme AfD gewählt; und – was vielen nicht mehr in Erinnerung sein möchte – es war damals schon knapp.

Danach schien die Partei in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. So hatte ich mich schon fast damit abgefunden, dass es einmal mehr nicht gelingen würde, eine Partei als dauerhafte Alternative zur einer CDU/CSU zu etablieren, zu einer Partei, die von der Bundeskanzlerin gesteuert, zunehmend linksliberale Positionen in ihren Kern aufsog und christliche Werte konterkarierte.

Zumal es in der AfD ja voll abging. Viele in der Partei sahen, dass man mit dem Euro-Thema alleine kein Land würde gewinnen können und wollten sich eben nicht mehr als eine wirtschaftskonservative, aber ansonsten liberale Partei für die kommenden Landtagswahlen aufstellen. Wo aber war noch Platz im politischen Spektrum, wenn nicht rechts von dort, wo die CSU stand? Denn CSU-Kopie sein ging gar nicht.

Hier tummeln sich Gestalten, man soll es nicht für möglich halten
Gewiss, der Putsch gegen den Gründer der AfD war alles andere als ein Ruhmesblatt, vor allem in der öffentlichen Selbstdarstellung. Aber – wie ich es in anderen Bereichen auch immer fordere und schreibe: es war eine notwendige Reinigung vor einer Neuausrichtung.
Und ebenso gewiss: in der AfD tummeln sich (und das auch nicht nur im Osten) Gestalten, die grenzwertige Positionen vertreten, bei denen man zweifeln darf, ob der Boden der demokratischen Grundordnung der gleiche ist, auf dem sie zukünftig stehen wollen.

Aber bei allem Respekt: solche Leute haben wir in der Partei „Die Linke“ seit Jahrzehnten. Einer Partei, die Rechtsnachfolger der PDS ist, die wiederum Rechtsnachfolger der SED war und in deren Reihen immer noch viele sind, die genau wie die AfD gesicherte Außengrenzen Deutschland wünschen. Aber mit einer Mauer drumherum. – Gab es da Empörung bei den Kirchen, Entsetzen, Panik und Mobbing-Hypes bei den Medien?

Als ich sehen musste, mit wie ungleichem Maß man schon vor der Flüchtlingskrise auf die AfD einschlug, aber mit der Linken in Ost-Koalitionen ging, wuchs meine Sympathie für die Partei noch stärker. Denn Ungerechtigkeit beiseite wischen ist des Christen Sache nicht.

Der große Islam(isten)-Import
Dann kam sie, diese sogenannte Flüchtlingskrise, diese gesteuert „ungesteuerte Zuwanderung“ – Wenn heute jemand sagt, die Kanzlerin habe systematisch europäisches und deutsches Recht gebrochen und nicht einmal den Bundestag in die Entscheidung einbezogen, ob statt der 4000 am Bahnhof in Budapest 900.000 eingelassen werden sollten oder nicht, wird sie oder er kaum Widerspruch befürchten müssen. – Im Gegenteil: Es war sittlich gut, hier Recht zu beugen und zu brechen, sagt man uns. Unisono sagen sie es, die so genannten „Altparteien“. Die FDP sagt es übrigens nicht, aber der nimmt man‘s nicht übel. Die ist ja auch nicht rechts!

Womit wir beim Kern wären: Was ist „Rechts“? Hört man auf den Mainstream, so ist Rechts=Nazi. – Jene, die sich ansonsten jeglichen Nazi-Vergleich verbitten und von der Einzigartigkeiten des Holocaust sprechen, haben keine Probleme, die AfD mit der NSDAP zu vergleichen und Gauland mit Göring. Merkwürdig, oder?

Dann also kam sie, die Flüchtlingskrise – und mit ihr kamen Hunderttausende Angehörige einer Religion, die eigentlich gar keine Religion ist, sondern Einheitspartei, ja Ideologie.

Für Sozialisten aller Couleur ist der Islam ein natürlicher Verbündeter
In ALLEN Ländern, in denen muslimische Regierungen installiert sind, haben Christen, Juden und Andersgläubige weniger Rechte, sind zumindest gesellschaftlich schlechter gestellt, werden vor Gericht benachteiligt und in „orthodoxeren“ Systemen inhaftiert, verfolgt, ermordet. Und das schon seit fast 1.400 Jahren.

Macht man darauf aufmerksam, dass dies nun mal ein Fakt sei, ist man bestenfalls islamophob; also psychisch auffällig, weil man Drei Drei nennt und nicht Vier. Der Islam sei gar nicht so schlimm, schlimm seien nur die Islamisten; und die hätten nichts mit dem Islam zu tun, hätten ihn nicht verstanden.

Die Situationen in den Staaten blendet man aus. Die Christenverfolgung benennt man hin und wieder. Aber doch nur sehr verschämt. Die 200.000.000 Einzelfälle lassen doch nicht den Schluss zu, dass das Anwachsen der Muslime für die Demokratie in Europa eine Gefahr darstellen könnte.

Böse Kirche, gute ditib!
Manchmal hat man das Gefühl, von Idioten umgeben zu sein. Da schreit man in CDU/CSU, SPD, bei den Linken, Grünen und Liberalen „Frauenfeindlichkeit“, weil die katholische Kirche keine Priesterinnen weiht, verteidigt aber auf der anderen Seite das Kopftuch, im Islam das Zeichen der Unterwerfung unter den Mann.

Da ergeht man sich zu Recht in harten Vorwürfen gegen die Kirche wg. sexuellen Missbrauchs und diskutiert gleichzeitig darüber, wie weit man die ein oder andere Rechtskonstellation einer muslimisch im Ausland geschlossen Kinderehe vielleicht doch anerkennen könnte. Da nennt man die AfD Nazis und Antisemiten, während man den Antisemitismus, der fast allen islamischen Schulen innewohnt, als zu vernachlässigendes Randthema einordnet.

Da greift man konservative Christen wegen ihrer Schwulenfeindlichkeit an und verliert kein Wort darüber, dass Homosexualität im Islam ein fluch- und todeswürdiges Verbrechen darstellt. Da wagt man es, von gut gelungener Integration zu sprechen, obwohl fast 80 % der muslimischen Bevölkerung Deutschlands in selbstgewählten Großstadt-Ghettos wie Berlin-Neukölln oder Duisburg-Marxloh lebt.

Kann ich als Katholik irgendeine Partei wählen, die so unkritisch mit dem Islam umgeht, aber christliche Moral kritisiert?

• Kann ich eine CDU/CSU wählen, die Abtreibung straffrei lässt; die in weiten Teilen „Ehe für alle“ trägt; die unklar ist zur Euthanasie; die Spott und Hetze gegen die Kirche nicht kriminalisiert, aber Spott und sachliche Darstellung gegenwärtiger Zustände im Islam?
• Kann ich eine SPD wählen, die die christliche Soziallehre mit Füssen tritt?
• Kann ich eine FDP wählen, für die auf beiden Seiten der Münze der Kaiser abgebildet ist?
• Kann ich Grüne wählen, die bis in die geringfügigsten Bereiche des Privatlebens hineinregieren möchten und die den Eltern wenn möglich faktisch – wenn auch nicht auf dem Papier – das Erziehungsrecht entziehen möchten?
• Kann ich eine Linke wählen, in deren Reihen sich immer noch die Unterstützer des Unrechtsregimes der DDR befinden?

                                                                   Jedes Mal: NEIN!
Möchte ich, dass unsere Gesellschaft – wenn schon keine vollständig christliche, denn das ist sie schon lange nicht mehr – so doch eine humanistische auf dem Fundament des Christentums bleibt und das Heimat nicht nur einfach der Boden ist, auf dem ich stehe, sondern auch die Kultur, die Umgangsformen miteinander, die religiöse Toleranz aller Seiten?

JA! – Und eben deshalb gibt es für mich keine Alternative zur Alternative für Deutschland!

Was ich mir erwarte von der Partei im Bundestag? Dass sie bisher scheinbar Unansprechbares und Unaussprechbares an- und ausspricht. Nicht nur, was Islam, Asyl, Einwanderung betrifft. Auch was die Geldpolitik betrifft. Das Ducken vor China, der Türkei usw. Die Stützung der EZB-Anleihe-Käufe, das Drama des Rentensystems und beim ALG II und gewiß auch beim neuen Bürgergeld, die Kinderarmut, die heimlichen Steuern des Profisport-Sponsorings, die bodenlose Neuverschuldung wg. Corona oder der großteils hausgemachten Energiekrise. Dies und vieles mehr, über das man in Kreisen der anderen Parteien lieber schweigt oder doch nur kurz und unverbindlich plaudert, ohne substanzielle Änderungen vorzunehmen.

Mehr Strauß und Wehner als Höcke und Chrupalla
Und das darf die AfD gern so markig und dennoch auf hohem sprachlichen und intellektuellen Niveau tun, wie einst Franz-Josef Strauß oder Herbert Wehner, die uns ja aus eigener Anschauung noch vertraut sind. Dann wird Demokratie wieder lebendig. Aktuell liegt sie an einer Herz-Lungen-Maschine, deren Atemstoß-Frequenz von einer einzigen Partei bestimmt wird, die fast kultisch ihre Vorsitzende „die Verteidigerin der freien Welt“ (was für eine maßlose Überhöhung) verehrt.

Wenn der AfD auch nicht mehr gelingen sollte, als diesen führerähnlichen staatsmedial subtil gestützten Kult zu offenbaren und ins Wanken zu bringen, hätte sie schon mehr für Deutschland getan, als man von ihr erwarten dürfte!

Denn erwarten mag ich von einer recht jungen Partei, die von allen Seiten gemobbt wird, ansonsten nichts. Erreichen kann man nichts in der Opposition. Opposition ist Mist, deshalb muss man sich profilieren, den Markenkern ausformen und stabilisieren, dauerhaft stark bleiben und so attraktiver werden für andere, so lange man selbst keine Machtoption hat.
*) Original: Michael van Laak ist als Nachfolger von Peter Helmes Herausgeber des christlich-konservativen Blogs  conservo.  (https://www.conservo.blog/2022/12/17/katholiken-afd-alternativlos/).

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Xis Corona-Kehrtwende: Sein Starrsinn stürzt China in die Katastrophe
Der chinesische Präsident Xi Jinping hat eine brutale Kehrtwende in der Corona-Politik hingelegt. Nicht mal den Hauch eines Fehlers gesteht er dabei ein. Das wird sich bitter rächen.

Auf die totale Kontrolle folgt die totale Freiheit: Chinas Regierungschef Xi Jinping hat in seiner Corona-Politik gerade eine 180-Grad-Wende bei voller Fahrt hingelegt. Plötzlich ist Schluß mit der härtesten Null-Covid-Strategie der Welt, bei der bis zuletzt ganze Metropolen in Lockdowns geschickt, Zäune errichtet und Millionen Bürger in Wohnungen und Covid-Containern eingesperrt wurden.

Stattdessen sind die meisten Maßnahmen nun Geschichte, selbst die staatlichen Testzentren schließen. 1,4 Milliarden Chinesen sind eingeladen, sich ungehemmt zu durchseuchen.

Xi Jinping: Fehler machen? Er doch nicht!
Die Voraussetzungen für dieses Vorgehen sind in China allerdings besonders schlecht. Denn die Bevölkerung ist nicht ausreichend immunisiert. Die chinesischen Impfstoffe wirken weniger gut als die von Biontech oder Moderna. Und richtig schützen tun sie erst im Falle eines Boosters. Doch die Quote der dreifach Geimpften ist in China vergleichsweise niedrig – insbesondere bei den besonders vulnerablen Älteren.

Hinzu kommen weitere Faktoren: Wegen der bislang sehr strikten Maßnahmen haben bisher nur wenige Chinesen eine Infektion durchgemacht. Und die Zahl der Intensivbetten ist niedrig, das Gesundheitssystem nicht vorbereitet auf die Mega-Welle, die sich schon jetzt abzeichnet.

Absehbar ist, dass sich Hunderte Millionen Chinesen infizieren werden. Es drohen Millionen Tote. Xis brutale Kehrtwende hat das Potenzial, in einem menschlichen Desaster zu enden.

Xi hat immer recht – koste es, was es wolle
Helfen könnten Transparenz, Kommunikation, eine große Erkläroffensive der Regierung. Daß Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg ist, ist schließlich eine der zentralen Lehren, die Demokratien in der Corona-Zeit gemacht haben. Wer Millionen Bürger zu Impfungen, radikalen Verhaltensänderungen und eigenverantwortlicher Rücksichtnahme bewegen will, der kann sie nicht zu irgendetwas zwingen, der muss sie mitnehmen, sich erklären, auch mal Fehler eingestehen.

Natürlich fällt all das auch Politikern im Westen nicht leicht. Das zeigt auch der vielgelobte Satz des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn: "Wir werden einander viel verzeihen müssen." Das war eben kein klares: " Ich habe Fehler gemacht und werde das auch weiter tun", sondern eine Flucht vor der eigenen Zuständigkeit in den abstrakten Plural, ein: "Irgendwie lagen wir ja alle ziemlich falsch – und werden es weiter tun."

Doch der CDU-Politiker hat immerhin früh eingeräumt, daß auch er danebengelegen hat, daß die Politik die Gesundheitskrise nicht perfekt regelt – im Gegenteil. Und er hat diesen Satz oft wiederholt, er wurde sogar zum Titel seines Buchs über die Zeit als oberster Manager der Corona-Krise.

Von Xi Jinping dagegen ist selbst ein Hauch von Selbstkritik nicht zu erwarten. Statt Einsicht plärrt in China vor allem die Propaganda. Nicht einmal über das Ende der Null-Covid-Strategie darf offiziell berichtet werden. Zu sehr hat Xi den harten Covid-Kurs als einzig richtigen Weg ausgerufen, die chinesische Regierung als einzig wirklich Erleuchtete auf der Welt dargestellt.

Dass Xi sich nun also selbst korrigiert, das wird so nicht gesagt. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Stattdessen greift nun die Zensur. Dem großen Anführer an der Spitze unterlaufen schließlich keine Fehler. Xi hat immer recht – koste es, was es wolle.

Dieser Starrsinn dürfte sich gleich zweifach rächen: einmal gesundheitspolitisch, mit vielen Kranken, Toten und einem hoffnungslos überlasteten Gesundheitssystem. Und zum Zweiten mit einem massiven Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik.

(Quelle: Annika Leister, https://www.t-online.de/ )

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Der Staat kann den Bürgern die Freiheit nehmen, solange er sie mit Geld ruhigstellt

Der frühere deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn ist mit einem Satz in die Annalen der Pandemie eingegangen: «Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.» Was als Plädoyer für eine selbstkritische Reflexion gedacht war, verstehen Politik und Medien in Deutschland ganz anders: als Amnestie für die gemachten Fehler und als Aufruf zur Amnesie. Drei Jahre nach Beginn der Seuche ist die Bereitschaft begrenzt, aus Irrtümern zu lernen.

Wieder ist Winter, wieder steigen die Covid-Fallzahlen, doch die vom heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach prophezeite «Killervariante» lässt sich nicht blicken. Diese zur Hysterie neigende Kommunikation ist der Kardinalfehler der deutschen Pandemiepolitik.

Die Kommunikation war auch ein Resultat der seltsamen Art, wie Politik gemacht wurde – mit Videokonferenzen zwischen Kanzlerin und Ministerpräsidenten. Die Teilnehmer gaben ihre Statements an die Medien weiter, so dass sich die Verhandlungen praktisch live verfolgen ließen. Das förderte Schaufensterreden und Maximalforderungen.

Abwägende Stimmen hatten es nicht leicht, Gehör zu finden. Die bis weit in die Nacht andauernden Runden sorgten überdies für administrativen Wirrwarr. Der von Angela Merkel und ihrem Kanzleramtsminister Helge Braun ausgeheckte und rasch wieder verworfene Oster-Lockdown ist das beste Beispiel für die Mischung aus Chaos und Inkompetenz.

Die langen Schulschließungen bleiben eine Schande
Dass Bund und Länder nicht in der Lage waren, in der zwei Jahre dauernden heissen Phase der Seuchenbekämpfung ein rationales Entscheidungsverfahren zu etablieren, ist ein Armutszeugnis der deutschen Politik. Selbstdarstellung triumphierte über Sachkenntnis.
Den Preis dafür zahlten die Menschen – vor allem Kinder und Jugendliche. Bis Mitte 2021 waren die Schulen an 126 Tagen geschlossen. Berücksichtigt man auch den Wechselunterricht, waren es über 320 Tage. Das ist, man kann es nicht anders sagen, eine Schande. Die Bedürfnisse junger Menschen waren unwichtig; eine plausible Risikoabschätzung fand nicht statt.

Die Härte war zudem nutzlos. Obwohl die Schweiz nach der Anfangsphase von Corona auf Lockdowns oder Schulschließungen verzichtete und zu Merkels Verdruß Skigebiete und Gastronomie offenhielt, verzeichnet sie keine höhere Sterblichkeit als Deutschland.
Immerhin raffte sich Lauterbach zu dem verdrucksten Eingeständnis auf, rückblickend seien die Kita-Schließungen nicht nötig gewesen. Doch mit dem Wörtchen «rückblickend» erteilt er sich und allen Verfechtern der harten Linie Absolution. Der Minister suggeriert, der damalige Kenntnisstand habe keine andere Entscheidung zugelassen. Das ist nachweislich falsch.
Wie das Beispiel Schweiz zeigt, konnte man schon früh zu ganz anderen Schlußfolgerungen gelangen. In Deutschland wollten dies Bund und Länder aber nicht. Sie sollten daher wenigstens Rechenschaft ablegen, was sie daraus gelernt haben. Fehler sind in einer Extremsituation unvermeidlich; die sture Weigerung, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, legt jedoch die Grundlage für das nächste Versagen.

Die Politik befindet sich in schlechter Gesellschaft der Medien. Wie in der Migrationskrise 2015 neigten sie dazu, unkritisch der Regierungslinie zu folgen. Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender verbreiteten Horrorszenarien und bettelten in Kommentaren förmlich um rigorose Maßnahmen. Wissenschaftler und Politiker, die für eine weniger restriktive Vorgehensweise eintraten, mussten Hohn und Spott ertragen.

Die Medien verbreiteten unkritisch als objektive Wissenschaft verbrämte Mutmaßungen: darunter die Behauptung, Geimpfte seien nicht ansteckend. Dies alles geschah unter der Parole «Follow the science». Selten war Wissenschaftsgläubigkeit naiver und zugleich militanter. Mit angeblicher Wissenschaft wurde schamlos Politik gemacht. Dies müsste eine Warnung für den Umgang mit dem Klimawandel sein, doch auch diese Lehre werden die Medien vermutlich ignorieren.

Die damals bereits vorliegenden Fakten wurden nicht unvoreingenommen geprüft, sondern man machte sich zum Gehilfen der offiziellen Linie, die Ungeimpfte stigmatisierte. Statt als Korrektiv zu funktionieren, agierte ein großer Teil der Medien als Lautsprecher der Exekutive.

Die Medien können sich nicht beklagen, wenn man ihnen heute «Impf-Lügen» vorwirft
Fiebrige Anfälle von Corona-Hofberichterstattung waren auch bei Schweizer Medien zu beobachten. Die deutschen Kollegen hatten indes einschlägige Erfahrungen gesammelt, nachdem sie wenige Jahre zuvor die Willkommenskultur verklärt und damit ein Fiasko erlebt hatten: schon damals Konformismus statt Kritikfähigkeit. Gelernt haben sie daraus nichts. Die Medien dürfen sich nicht wundern, wenn man ihnen heute «Impf-Lügen» vorwirft.

Zur hysterischen Kommunikation gehörte, dass mit unrealistischen Maximalforderungen Emotionen geschürt wurden. Alle Angehörigen vulnerabler Gruppen – vornehmlich Alte und Personen mit einer gravierenden Vorerkrankung – sollten geschützt werden. Das gipfelte in dem Satz, jedes Leben sei gleich viel wert und müsse unbedingt bewahrt werden.

Würde dies zutreffen, wäre jetzt der nächste Lockdown unvermeidlich. Gegenwärtig grassiert das RS-Virus, die Kinderstationen vieler Krankenhäuser sind überlastet. Besonders anfällig sind Säuglinge und Kleinkinder, es kommt zu Todesfällen. Wenn die Behauptung Bestand hätte, wonach jedes Leben in den vulnerablen Gruppen zwingend geschützt werden muss, wären Freiheitsbeschränkungen abermals unumgänglich.

Natürlich verhängt die Politik keinen Lockdown. Jede vernünftige Güterabwägung spricht dagegen, auch nur die Kitas zu schließen. Dass man sich während Corona weigerte, die Risiken genauso rational zu bewerten, zeigt jedoch, wie egoistisch eine alternde Gesellschaft ihre Prioritäten setzt. Alte Menschen genießen einen erheblich höheren Stellenwert als junge. Grundlage für eine zukunftsfähige Politik ist das nicht.

Die Beschlüsse waren zu wenig evidenzbasiert, sondern von den Stimmungen und Ängsten der Handelnden – also vor allem von Merkel und Braun – getrieben. Zusammen mit dilettantischen Entscheidungsverfahren führte dies dazu, daß deutsche Politiker nicht nur im Fall des Oster-Lockdowns im Panikmodus agierten.

Zu den überlebenswichtigen Schutzmechanismen des menschlichen Gehirns zählt, dass es vergisst und verdrängt. So haben die Deutschen bereits vergessen, welcher bürokratische Irrsinn ihnen bisweilen zugemutet wurde.

Wer erinnert sich noch an die Regel, wonach es in Landkreisen mit hoher Inzidenz verboten war, sich mehr als 15 Kilometer von seiner Wohnung zu entfernen? Wer erinnert sich daran, dass vor wenigen Monaten Sozialdemokraten und Grüne eine allgemeine Impfpflicht erzwingen wollten?

Man muß sich bloß ausmalen, was geschehen wäre, wenn die beiden Regierungsparteien den Impfzwang durchgesetzt hätten. Die Gesellschaft wäre tief gespalten worden; die Behörden hätten in Windeseile einen teuren Überwachungsapparat aus dem Boden stampfen müssen; zahllose Impfverweigerer wären kriminalisiert worden. Die Demokratie hätte Schaden genommen.

Und für was das alles? Auch ohne Impfobligatorium kommt Deutschland gut durch Herbst und Winter.

Zu Recht wird beklagt, dass Querdenker eine extreme und mitunter extremistische Form der Realitätsverweigerung praktizieren. Aber alle Politiker bis hin zum Kanzler, die einen Impfzwang forderten, vertraten eine nicht minder extreme Position. Der Extremismus der Mitte ist gefährlicher als der Extremismus der Ränder, weil nur die Mitte die Macht hat, ihre Stimmungen in Gesetze zu gießen. Das sollten die Deutschen nicht vergessen.

Der Bürger wird zum Almosenempfänger degradiert
Auch ohne Impfpflicht gehörten die deutschen Corona-Regeln zu den strengsten in Europa. Gleichzeitig waren die deutschen Covid-Hilfen die großzügigsten. Der Staat kann den Deutschen offensichtlich die Freiheit nehmen, solange er sie großzügig alimentiert.
In diesem Staatsverständnis liegt auch das eigentliche, über die Pandemiepolitik hinausweisende Problem. Der Staat usurpiert die Daseinsvorsorge, die eigentlich die Aufgabe jedes dazu fähigen Bürgers wäre. Selbstverantwortung und Freiheit stehen nicht hoch im Kurs. Die fürsorgliche Bevormundung der Bürger durch den Staat kann nicht nur in Corona-Zeiten mit großer Zustimmung rechnen.

Diese Denkweise prägt auch die Sprache der Politik. Die Hilfe für Personen, die ihren eigenen Lebensunterhalt nicht bestreiten können, wird als «Bürgergeld» deklariert. Sie ist damit nicht eine auf Notlagen beschränkte Ausnahme, sondern eine Art Normalfall, der den Bürger wie selbstverständlich zum Bittsteller und Almosenempfänger degradiert.

Das Wort Bürgergeld wird so geradezu zur Definition des Verhältnisses zwischen Staat und Individuum: Das Wesen des Bürgers ist es, sich aushalten zu lassen.

Kein Wunder also, daß auch in der Energiekrise Unternehmen und Private umfangreiche Unterstützung erhalten. Die Hilfspakete gehören wieder zu den größten weltweit. Viel gelernt hat die Politik aus Corona also nicht, nur daß diesmal mit den Zuwendungen keine Freiheitsbeschränkungen verbunden sind. Der Ungeist aber ist derselbe. Auf Dauer wird die Demokratie so pervertiert. Sie verkommt zum Basar, auf dem Bürger und Staat Gefolgschaft gegen Geld tauschen. 

 (Quelle: Eric Gujer, NZZ 23.12.2022)

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Gehälter im Öffentlich-Rechtl. Rundfunk am Beispiel Deutschlandradio
Von Peter Helmes

Die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebbt nicht ab. Die Causa um Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat das ganze System in Frage gestellt. Nun stehen auch Pensionszahlungen im Deutschlandradio zur Debatte. Um was es geht – ein Überblick.
Tarifverträge bestimmen über die Gehälter festangestellter Mitarbeitender im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Diese Tarifverträge schließen die Rundfunkanstalten zusammen mit den Gewerkschaften für eine bestimmte Laufzeit. Die Abschlüsse orientieren sich dabei an den Tarifabschlüssen im Öffentlichen Dienst. Einzelne Berufe sind dabei in verschiedenen Vergütungsgruppen eingeteilt. Das heißt beispielsweise, daß Redakteure anders vergütet werden als Menschen in der Technik.

Wer bekommt außertarifliche Gehälter?
Einige Beschäftigten werden zudem aufgrund ihrer Funktion und Verantwortung außertariflich bezahlt. Dazu gehören alle Mitglieder der Geschäftsleitung – also Intendanz, Programm- und Verwaltungsdirektion – genauso wie Hauptabteilungsleitungen. Die Intendanz schlägt die Höhe der außertariflichen Vergütung vor. Der Verwaltungsrat des Senders muß als Aufsichtsgremium dem Vorschlag zustimmen, bevor ein Vertrag in Kraft tritt. Die Verträge von außertariflich Festangestellten sind grundsätzlich befristet.

So unterschiedlich arbeiten die Gremien bei ARD & Co.
Für die Aufsichtsgremien der neun ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradios gelten jeweils sehr unterschiedliche Regeln. Das zeigt eine Deutschlandfunk-Recherche. Außerdem sind die Gremienbüros zum Teil mit wenig Personal besetzt. Und auch bei der Überwachung der Finanzen gibt es Auffälligkeiten.

Das Gehalt der außertariflich bezahlten Festangestellten steht spätestens seit dem Fall Schlesinger im RBB zur Debatte. Besonders kritisiert wurde ein undurchsichtiges Gehalts- und Prämiensystem. Das Online-Portal Übermedien berichtet zudem, daß bei WDR, MDR und NDR auch außertariflich Vergütete von Tariferhöhungen profitiert haben. Darüber regt sich aktuell Protest, u.a. beim Deutschen Journalistenverband.

Wie hoch sind die Gehälter im Vergleich?

Der Intendant des Deutschlandradios, Stefan Raue, verdient 264.000 Euro im Jahr. Das Gehalt liegt im unteren Drittel im Vergleich zu anderen Sendeanstalten. Die Jahresgehälter der Intendanten in der ARD liegen zwischen 245.000 (SR) und 413.000 (WDR). Der Haushalt ist allerdings auch kleiner als bei anderen Sendern.

Gerade wird diskutiert, ob sich die Gehälter aller Angestellten in den öffentlich-rechtlichen Sendern mehr am öffentlichen Dienst orientieren sollten. 2019 hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs ein Gutachten bei Kienbaum in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten kommt zu dem Schluss, daß das Vergütungsniveau bei den Öffentlich-Rechtlichen Sendern gegenüber dem öffentlichen Sektor erhöht ausfalle, im Vergleich zur kommerziellen Medienwirtschaft leicht überdurchschnittlich liege und bezogen auf die allgemeine Wirtschaft als vergleichbar einzuschätzen sei.

Volker Lilienthal, Journalistik-Professor an der Universität Hamburg und seit 2019 als Sachverständiger Mitglied im Verwaltungsrat des Deutschlandradio, erklärt im Deutschlandfunk, er habe schon den Eindruck, „daß das Gehaltsniveau im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab Redaktionsleitung recht hoch“ sei. Die Höhe des Gehalts sei ein Grundsatzproblem, dessen sich die Länder als Gesetzgeber seiner Meinung nach annehmen sollten. Der Verwaltungsrat sei nicht das richtige Forum für diese Diskussion.

Als Sachverständiger beobachtet er im Verwaltungsrat des Senders: „Wenn dort mehrere Führungspersönlichkeiten der ARD-Rundfunkanstalten und des ZDF sitzen, dann gibt es manchmal Entscheidungspunkte, wo man merkt, dass diese Gremiummitglieder durchaus das Eigeninteresse ihres eigenen Senders im Auge haben.“ Das sei zwar legitim. Schlußendlich müsse der Verwaltungsrat aber immer sachgerecht und zum Nutzen des Deutschlandradio und seines Publikums entscheiden, unterstreicht Lilienthal.

Wie hoch sind Pensionen für Ex-Intendanten?

Das Deutschlandradio hat 2021 für sechs ehemalige Intendanten Pensionen in Höhe von 738.000 Euro bezahlt. Diese Zahl wird auch im Jahresabschluß 2021 dokumentiert, sobald dieser vom Hörfunkrat genehmigt wird.

Laut Pressestelle hat sich das Deutschlandradio bei seiner Gründung dazu verpflichtet, mehr als 50 Prozent der Rentenzahlungen für ehemalige Intendanten von seinen Vorgängerinstitutionen zu übernehmen.

Wie hoch sind die aktuellen Pensionsrückstellungen?

Für den amtierenden Intendanten Stefan Raue sind Pensionsrücklagen in Höhe von 2,04 Millionen Euro gebildet worden. Raue hat keine gesonderten Rentenvereinbarungen mit dem Deutschlandradio getroffen. Für ihn gilt, wie für alle Festangestellten des Unternehmens, ein sogenannter Versorgungstarifvertrag. Dieser Vertrag wurde angepaßt und sieht mittlerweile insgesamt niedrigere Rentenzahlungen vor – wie die Pressestelle betont.

Als Versorgungsträger muß das Deutschlandradio in seiner Bilanz Pensionsrückstellungen bilden. Diese werden nur dann gezahlt, wenn die Pensionskasse ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann, beispielsweise aufgrund sinkender Zinsen. Dann ist die Pensionsrückstellung eine rechtlich notwendige Rückstellung für zukünftige Pensionslasten. Sinkende Zinsen haben zuletzt zu einer höheren Pensionsrückstellung geführt. Die Pensionszusagen für den amtierenden Intendanten und die Direktoren von 2020 sind auch im Internet zu finden.

Warum zahlt das Deutschlandradio dem ehemaligen Programmdirektor 575.000 Euro für das Jahr 2021, obwohl er nur bis Ende März im Amt war?

Der ehemalige Programmdirektor Andreas Peter Weber hat das Deutschlandradio 2021 verlassen und sich vorab mit dem Sender auf die Aufhebung seines Arbeitsvertrags geeinigt. Bei der Summe handelt es sich um das bis zum Auslaufen des Arbeitsvertrags Ende August 2021 fällige Gehalt und eine einmalige Abfindung, die vom Verwaltungsrat genehmigt wurde, so die Pressestelle von Deutschlandradio.

(Quelle: verschiedene Meldungen im Deutschlandfunk, August 2022)

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Die Taliban in Afghanistan schließen Frauen von den Universitäten aus
Von Peter Helmes

Eigentlich hatte dieses Jahr mit der vagen Hoffnung begonnen, man könne die Taliban zur Vernunft bringen. Eine Delegation des islamistischen Regimes wurde im Januar nach Oslo eingeladen, und zu den Hauptanliegen der Gespräche in Norwegen gehörten die Rechte von Frauen und Mädchen. Immerhin hatten die Taliban nach ihrer Machtübernahme der Welt zugesichert, sich seit der schlimmen Zeit vor 2001 gewandelt zu haben und Frauen zu respektieren. Aber auf die Taliban ist kein Verlaß. Die Bewegung ist zerrissen zwischen erzkonservativen und moderateren Kräften.

Im Augenblick scheint es, als hätten die ultrareligiösen und besonders verblendeten Taliban das Sagen. Die Folgen sind tragisch, für die Mädchen und Frauen wie auch für die gesamte verarmte afghanische Gesellschaft. Schule und Ausbildung fördern die Entwicklung, aber jetzt müssen tausende junger Menschen ihr Studium abbrechen und sich der Männerherrschaft unterwerfen. Eine Begründung für das Studienverbot wurde von den Taliban nicht geliefert. Das ist allerdings auch nicht weiter verwunderlich, denn es gibt keine stichhaltigen Gründe.

Die Taliban verstoßen bewußt gegen die UNO-Menschenrechtserklärung und wählen stattdessen eine verzerrte Deutung des Islam. Die Nothilfe für hungernde Afghanen muß  weitergehen, aber das Taliban-Regime muß international unter Druck gesetzt werden und die unerträglichen Übergriffe gegen Frauen beenden.

Die finsteren Taliban haben Angst vor Ausbildung, denn sie vermittelt Frauen die Fähigkeit, eigenständig zu denken und sich zu Wort zu melden. Ausgebildete Frauen lassen sich schwerer unterdrücken und regieren.

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Sprache zum Nachdenken: „Ampel“
Bei diesem Wort denkt man dieses Jahr zuerst an die neue Regierungskoalition: rot-grün-gelb, die Symbolfarben der drei Koalitionsparteien entsprechen den Farben auf der Verkehrsampel. Ein metaphorischer Vergleich. Ein Weiterdenken ist hier nicht beabsichtigt. Sonst stünde ja die SPD für Halt, die Grünen für Los geht’s und die Gelben für beides: jetzt auf die Bremse treten oder jetzt Gas geben. Verwunderlich, daß solche oder ähnliche Interpretationen noch nicht angestellt wurden.

Aber woher kommt eigentlich der Name Ampel für die Einrichtung zur Verkehrsregelung? Das Wort ist bereits althochdeutsch als ampla belegt, entlehnt aus lateinisch ampulla ‚kleines zweihenkliges Gefäß (für Öl oder andere Flüssigkeiten)‘, ursprünglich ein Diminutiv (*amphorola) zu amphoreus, einer Entlehnung aus dem Griechischen. In den Kirchen des Mittelalters stand die von der Decke hängende Öllampe für das Ewige Licht. Aus diesem Bild leiteten sich später zwei neue Verwendungen ab: die Blumenampel und die Verkehrsampel, die ursprünglich über der Kreuzung hing. Der Name blieb auch bei anderer Anbringung.

Genug der Sprachgeschichte. Ich möchte abschließend auf etwas ganz anderes hinaus und wage eine These: Wir Deutschen sind in unserem gesamten Verhalten eine Art Ampel-Volk, eines, dass immer genau wissen will, wann Halt geboten ist, wann losfahren, wann weiterfahren. Unsere Bürokratie, unser gesamtes Gesetzes- und Verordnungswesen folgt dem Motto: immer vorschreiben, immer ansagen, was geboten oder verboten ist.

Die Bürger werden fürsorglich an die Hand genommen und bestraft, wenn sie den Geboten nicht folgen. Diese Ampel-Mentalität prägt unsere Gesetze und unseren Alltag. Unser Leben ist wie eine Autofahrt durch eine Innenstadt, ein Stopp and Go von Ampel zu Ampel.

Gibt es Alternativen zu diesem System? Ich sage Ja und meine den Kreisverkehr. In manchen Ländern, z.B. in Skandinavien, England, Irland, auch in den ehemaligen englischen Kolonien ist der Kreisverkehr die Regel, wo bei uns Ampeln stehen. Erst in den 90er Jahren wurden sie hier und da auch bei uns eingerichtet. Das System spart nicht nur Zeit und Sprit, meistens hält es auch den Verkehr flüssig. Aber es verlangt die aktive Mitwirkung der Verkehrsteilnehmer. Ist der Kreis frei zum Reinfahren, zum Einordnen? Man muss abwägen und entscheiden. Vorsicht ist ebenso geboten wie etwas Mut. Mit dem System Kreisverkehr wird allen Verkehrsteilnehmern mehr Verantwortung gegeben und abverlangt.

Die Urform dieser Verkehrsregel sind übrigens Denkmäler, um die der Verkehr herumgeführt wurde. Das klassische Beispiel ist der gewaltige Kreis um den Arc de Triomph in Paris.

Mehr Kreisverkehr im Alltag, mehr Eigenverantwortung, weniger Ampel-Bürokratie – dies ist mein Wunsch für das Neue Jahr.

Original: Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

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Sprache – Für die Verständigung
Auf die Gefahr, den weihnachtlichen Frieden zu trüben: Selbsternannte Sprachschützer wie der VDS (Verein Deutsche Sprache) weisen seit Vereinsgründung darauf hin, daß es ganz brauchbar sein kann, wenn die Bürger dieses Landes – einschließlich der Einwanderer ­– die Landessprache beherrschen. Sie ist die Grundlage für alles Handeln, etwa in den Pflegeheimen (um von zahlreichen Notständen nur einen zu nennen).

Was ungezählte Mitmenschen aus anderen Herkunftsländern in den Heimen leisten, kann in einem nüchternen Satz auch nicht annähernd gewürdigt werden. Daß man ihnen nicht als erstes Deutschkenntnisse beibringt, die eine fehlerarme Verständigung zwischen den Alten und den Pflegern ermöglichen, das grenzt schon an Menschenverachtung, und zwar in beide Richtungen: gegenüber den mehr oder weniger dementen Alten wie den oft hilflosen Pflegern – die aber immerhin mit viel Herz kompensieren, was ihnen an Kenntnis vorenthalten bleibt.

Vielleicht hülfe es, wenn die Landessprache als solche in der Verfassung festgeschrieben wäre: Damit sie endlich ernst genommen werde! Alternativ käme selbstverständlich infrage, daß die Alten die Sprachen ihrer Pfleger erwerben, zum Beispiel Arabisch, oder zumindest die Sprachen der früheren Kolonialherren. Bei dem tüchtigen jungen Küchenhelfer aus dem Sénégal wäre das Französisch, bei der brasilianischen Pflegehilfe auf der dritten Etage Portugiesisch. Na denn frohe Weihnachten! (Oliver Baer, VDS)

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Die Dudenredaktion hat ihren Auftrag vergessen
VDS-Vorsitzender Walter Krämer im Interview

Zu schön zum Verhunzen. In einem ausführlichen Gespräch mit dem christlichen Online-Portal corrigenda.online sprach der VDS-Vorsitzende Prof. Walter Krämer über Besonderes in der deutschen Sprache, auch über aktuelle Probleme mit dem Gendern. Es sei ein Angriff auf das Skelett, die innere Struktur der Sprache.

Bei konsequent durchgegenderten Texten seien gewisse Konstruktionen nicht mehr verständlich oder verlören ihre Sinnhaftigkeit. Gender-Verfechter ignorieren, daß viele Dinge unmarkiert sind, also keinen Hinweis auf ein Geschlecht beinhalten, selbst wenn sie in einer nach außen hin gekennzeichneten maskulinen Form auftauchen:

„Ein Beispiel: Die Polizei sagt, es werden Zeugen gesucht. Hier ist vollkommen klar, daß die Personen, die gesucht werden, jedweden Geschlechtes sein können. Nur wenn man eindeutig ein bestimmtes Geschlecht meint, dann muß man das konkret benennen.

Auch mit der Dudenredaktion geht Krämer hart ins Gericht: „Die Dudenredaktion hat ihren Auftrag vergessen. Sie bildet die Sprache nicht mehr ab, wie sie ist, sondern wie sie in den Augen der Duden-Ideologen sein sollte.“ (corrigenda.online)

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Gendersprache

Plötzlich unsichtbar, die Frauen
Wie man 99 Frauen entsorgt, hat Luise Pusch dereinst in die Welt gesetzt. Im Zuge der Diskussion um die Gendersprache hört man immer wieder von dem schwer vorstellbaren Zaubertrick, den die deutsche Sprache jedoch geschehen lässt. Der spielt sich so ab: Ein Chor aus 99 Sängerinnen steht auf der Bühne, ein männliches Mitglied des Chores tritt hinzu und im selben Moment verschwinden 99 Frauen, denn die gesamte Gruppe besteht nur noch aus Sängern. Der Germanist und Musiker Fabian Payr geht diesem übersinnlichen Phänomen in der Berliner Zeitung nach. Luise Pusch sagte: „Der wahre Feind ist das ‚generische Maskulinum‘, das Frauen besser unsichtbar macht als jede Burka.

Dieser Satz erinnert an die chinesischen Wandparolen zu Maos Zeiten, auch sie schienen beim ersten Hinsehen plausibel, ja unwiderlegbar. Bei der Chor-Geschichte fällt ein wichtiger Sachverhalt unter den Teppich: „Der seit Jahrhunderten tief im Deutschen verwurzelte Sprachgebrauch lässt den Aspekt des Geschlechtlichen überall dort in den Hintergrund treten, wo er keine Rolle spielt“, so Payr.

Wo er keine Rolle spielt! Der Kontext einer sprachlichen Information sei ausreichend, um zu entscheiden, ob eine Personenbezeichnung maskulinum spezifisch oder generisch aufzufassen ist. Für Payr sind solche Erzählungen (Narrative) wie die Chor-Geschichte der Grund dafür, dass das Konzept einer geschlechtergerechten Sprache seit den 70er Jahren eine solch erstaunliche Karriere machen konnte.

Die Überzeugungskraft dieser Theorie beruht nicht auf einem tragfähigen sprachwissenschaftlichen Fundament, sondern in erster Linie auf der Bildhaftigkeit ihres zentralen Opfernarrativs.
Viele Elemente der Genderbewegung erinnern Payr an die Sphäre des Religiösen: eine zentrale Erzählung (der Mythos von der unsichtbaren Frau), die Identifikation des Bösen (das generische Maskulinum und seine Nutzer/der Patriarch), eine gemeinsame Praxis als Distinktionsmerkmal (die Nutzung gendersensibler Sprache), die scharfe Gegenüberstellung von progressiven Befürwortern und konservativen Kritikern, das Inszenieren der eigenen Wahrheit als absolut und unhinterfragbar, das Belegen von Kritik mit einem Tabu. (berliner-zeitung.de)

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Erste Platz Belegende sind Sieger
Ins Knie geschossen haben sich die österreichischen Sozialdemokraten: Erst Anfang des Monats hatte die SPÖ einen Genderleitfaden samt dazugehörigem Wörterbuch für Kärnten beschlossen; am Mittwoch (14. Dezember) wurde es in den Medien kritisiert und am Donnerstag wieder zurückgenommen. Der Grund waren darin enthaltene Umetikettierungen.

Aus Bauern wurden „landwirtschaftlich Beschäftigte“, der Täter wurde zur „Unrechtsperson“, der Autor zur „literaturschaffenden Person“, Sieger wurden zu „erste Platz Belegenden“. Diese Wort-Neuschöpfungen stießen nicht nur in den Medien auf Befremden, auch die Politik war peinlich berührt.

ÖVP-Landesrat Martin Gruber, eigentlich Koalitionspartner der SPÖ, fand deutliche Worte: „Ich glaube, wenn man sich das Wörterbuch anschaut, dann sind da wirklich haarsträubende Aussagen und Verwendungen von Worten drinnen. Das ist für mich auch eine Verschlechterung der deutschen Sprache, teilweise würde ich fast von einer Verhunzung sprechen. Irgendwann muss damit Schluss sein, bei aller Wertschätzung auch für Gleichberechtigung.“ Landeshauptmann Peter Kaiser und die zuständige Landesrätin Sara Schaar, Schöpfer des Leitfadens erklären die Rücknahme: Man wolle durch Sprache Bewusstsein schaffen und der Verwaltung eine Orientierung geben; die Kritik am Leitfaden habe sich hauptsächlich auf das Wörterbuch bezogen, „das sich in einigen Passagen als überzogen darstellt“. (derstandard.at)

(Anmerkung: Für die Schaffung eines Bewusstseins zum Nutzen der Betroffenen eignet sich „Schöpfer“ knackiger, überzeugender als „Schöpfer:innen des Leitfadens“; es kommt halt gequält-verquast herüber)

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Spotify stellt sich taub
Einwände bügelt Spotify ab. Der schwedische Musikdienst verwendet in seinem deutschsprachigen Angebot seit zwei Jahren den Genderstern („Künstler*innen-Playlists“). Im (englischsprachigen) Diskussionsforum der „Spotify-Community“ gab es seit der Einführung mehrere Eingaben von Nutzern, diese Praxis zu beenden, der jüngste Diskussionsstrang stammt von Anfang Dezember. Die Gendervarianten seien „schwer zu lesen“, „jeder Stern ist ein Lese-Hindernis“, „Wir wollen unsere Muttersprache zurück“ zählt zu den Kommentaren.

Teilweise werden diese Eingaben von mehreren Hundert Nutzern positiv gewertet. Mehrmals wird Spotify aufgefordert, eine Wahlmöglichkeit einzurichten, bei der die Variante mit Genderstern abgeschaltet werden kann. Mit Verweis auf seine Unternehmensrichtlinien schließt Spotify diese Diskussionen konsequent bereits wenige Tage nach der Eröffnung. Inhaltlich geht der Konzern überhaupt nicht auf die Vorschläge der Nutzer ein. Man könne ja über die Vorschläge weiterhin abstimmen, heißt es. (community.spotify.com )

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
das mag für heute genügen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Nächsten ein glückliches Neues Jahr 2023, zudem den Schutz Gottes und, wie stets an dieser Stelle, uns allen eine bessere Politik.

Mit herzlichen Grüßen und bestem Dank für Ihre Treue,
Ihr
Peter Helmes

Hamburg, 29. Dezember 2022

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